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Statuta thaberna
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Bayerns Bierbrauer schäumen
Stammland des Gerstensaftes reagiert empört auf das Weißenseer Reinheitsgebot
(Thüringer Allgemeine - 25.04.1998)
 
Bayerns Bierbrauer schäumen vor Empörung. Nicht genug, daß eine Brauerei in Brandenburg dem Stammland der Biertrinker im vorigen Jahr das Prädikat "Klosterbier" streitig machen wollte. Jetzt haben es die Thüringer auch noch auf das Gesetz im weiß-blauen Freistaat abgesehen: das bayerische Reinheitsgebot wonach im Bier nur Hopfen, Wasser und Malz etwas zu suchen haben.
 
Ein Historiker in dem neuen Bundesland will herausgefunden haben, daß es für die Stadt Weißensee schon vor dem Erlaß des Reinheitsgebotes durch Bayernherzog Wilhelm IV. im Jahr 1516 eine Verordnung für das Bierbrauen gab, die sogenannte "Statuta thaberna" aus dem Jahr 1434. Vor wenigen Tagen platzte der Rathauschef der kleinen thüringischen Kommune, Peter Albach (CDU), damit heraus ("Thüringer Allgemeine" berichtete ausführlich). "Das schlägt dem Faß den Boden aus", war die einhellige Reaktion der Bayern tags darauf. Gestern schoß der Bayerische Brauerbund scharf zurück. In einer elf Punkte umfassenden Erklärung wurde die Behauptung aus Weißensee Schluck für Schluck "obegschwoabt", wie der Bayer zum Trinken seines Nationalgetränks sagt. Von einer "rein lokalen Bestimmung" ist da zu lesen, die "nur begrenzte Zeit eingehalten wurde". Schon um 1600 hätten sich die Bierbrauer in der Landgrafenstadt nicht mehr um ihre Regeln geschert. Stärkemehl, Zucker, Sirup oder gar Reis hätten sie in die Sudpfannen geschüttet, spottet der Brauerbund.
 
Aus der Nichteinhaltung des Gesetzes könne man nicht das Gesetz an sich in Frage stellen, entgegnete der Thüringer Historiker Michael Kirchschlager gegenüber TA. Das Ende Weißenseer Brautradition 1902 stellen deren überlieferte Anfänge aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts keineswegs in Frage. Die Bayern listen auf, daß es weit vor den örtlichen Bierregeln von Weißensee auch in bayerischen Städten lokale Bestimmungen gab: 1156 in Augsburg, 1293 in Nürnberg, 1363 in München und 1409 in Landshut - alle Gesetze Generationen von Biertrinkern früher als in Thüringen erlassen. Wenn die Augsburger und Nürnberger tatsächlich die Formulierung "Hopfen, Malz und Wasser in ihren Regeln haben, dann möchten sie das doch veröffentlichen", kontert der Weißenseer Bürgermeister Peter Albach. Seine Stadt wäre auch mit einem 3. oder 4. Platz in der deutschen Biergeschichte zufrieden.
 
Das bayerische Reinheitsgebot sei die älteste, seit 1516 ununterbrochen und heute noch gültige Lebensmittelvorschrift der Welt, basta - so Bayerns Bierbrauer. Erst 1897 sei dieses Gesetz zunächst von Baden und 1900 von Württemberg übernommen worden. Bayern habe 1919 sogar seinen Beitritt zur Weimarer Republik davon abhängig gemacht, "daß das Reinheitsgebot als Reichsgesetz fortbesteht".
 
Besonders wütend gemacht hat die Brauer an der Isar, daß die Thüringer - kulinarisch sonst allenfalls wegen ihrer Bratwürste bekannt - ausgerechnet am bundesweit gefeierten "Tag des Bieres" das Kriegsbeil in puncto Reinheitsgebot ausgruben. Schließlich geht der jährliche Gerstensaft-Gedenktag am 23. April auf Bayern zurück: Herzog Wilhelm erließ an jenem Tag des Jahres 1516 das Reinheitsgebot.
 
Der christsoziale Bier-Minister von Bayern, Reinhold Bocklet, sagte dazu: "Das bayerische Reinheitsgebot ist ein landesweit geltendes herzogliches Dekret, während die Weißenseer Wirtshausregeln doch eher lokalen Charakter haben." Und Bayerns wahrscheinlich populärster Biertrinker derzeit, der dreifache Rodel-Olympiasieger ("Schorsch") Hackl aus Berchtesgaden, zischte in reinstem Oberbayrisch: "Genauso wie wir in Bayern den Thüringern nicht bei ihren Rostbratwürsten dreinreden, sollen sie uns nicht beim Bier dreinpfuschen."
 
"Laß die Bayern schäumen", sagt Thomas Stolle, Chef des Runneburgvereins. "Wir eröffnen heute auf der Runneburg die Biergartensaison und laden dazu alle ein - auch unsere südlichen Nachbarn."