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Runneburg / Weissensee / Thüringen
Statuta thaberna
Die "Statuta thaberna" (1434) der Stadt Weißensee - spätmittelalterliche Wirtshausregeln und Gesetze über das Brauen von Bier

Artikel 1

Zum Ersten: Welcher Bürger zu Weißensee eine Taberne hat, in welcher Zeit das sei, so behält ein jeglicher Bürger von Rechte seine Freiheit. (Die Freiheit bzw. die Freiheiten, die der Bürger in einer mittelalterlichen Stadt genoß, waren vielfältig. Sie konnte den Bürgern, die eine Taberne offen hatten, den Schutz des Stadtherrn sichern, ihr Waffenrecht bestätigen, Steuerfreiheit gewähren und ihn vom Zweikampf befreien. Hier könnte eine Art zeitlich begrenzte Gewerbefreiheit, Brau- und Schankfreiheit gemeint sein).

Artikel 2

Wenn sich der Gast ungebührlich verhält. Wo ein Bürger Wein oder Bier offen hat, komme darein ein Gast und vertrinkt sein Geld, und wenn der Gast bezahlen soll und bezahlt nicht gütlich und bietet der Frau böse Worte, oder des Wirtes Gesinde, kommt der Wirt dazu, und schlägt dieser den Gast mit einem Gefäße an den Kopf oder in die Zähne oder raufet ihn, soll dennoch der Gast dem Wirte die Unzucht büßen, die er in seinem Hause begangen hat. (Unzucht - Unsitte, schlechtes Benehmen)

Artikel 3

Schlägt aber der Wirt den Gast so sehr, daß er ihn verwundet, soll der Wirt dem Gast seinen Arzt rufen. Der Gast soll aber dennoch dem Wirt seine Unzucht büßen, die er in seinem Haus begangen hat.

Artikel 4

Wo ein Bürger den anderen Bürger verwundet, ist er der Stadt bußfällig ein Pfund. (bußfällig - büßen, Strafe zahlen, 1 Pfund - 20 Schillinge, d. h. 240 Pfennige.)

Artikel 5

Schlägt aber ein Bürger den anderen Bürger zu Tode, ist er der Stadt bußfällig drei Pfund. (Das Strafmaß wurde durch einen Bearbeiter im 15. Jahrhundert "korrigiert" und auf 3 Jahre Verbannung erhöht.)

Artikel 6

Schlägt aber ein Bürger den anderen und raufet oder schilt ihn und er geständig ist, ist er der Stadt bußfällig fünf Schillinge. (Auch dieses Strafmaß wurde durch den offenbar unzufriedenen Bearbeiter nachträglich erhöht auf acht Schillinge.)

Artikel 7

Welch Bürger oder Bürgerin den anderen um Ehre und Leumund redet oder ihn schilt und ihm Unrecht tut, daß er geständig ist oder überzeugt wird, der ist der Stadt zu Buße fünf Pfund verfallen. (Leumund - Ruf, überzeugt - überführt)

Artikel 8

Welcher Bürger in eines anderen Bürgers Haus einen ledigen Pfennig verspielt, der soll der Stadt ein Pfund Pfennige geben, und wer da vorbet, soll 5 Schillinge Pfennige geben. (1 Pfund - 20 Schillinge, d. h. 240 Pfennige.)

Artikel 9

Nicht spielen. Es soll auch kein Bürger mit dem andern Bürger spielen; das verbietet man bei einem Pfund und geschehe, daß ein Bürger mit dem anderen spielt, soll der Wirt davon keinen Schaden haben.

Artikel 10

Welcher Bürger einen Knecht hat und der verspielt in eines Bürgers Haus wenig oder viel, soll der Bürger seinem Knecht nicht mehr als einen Schilling vom Lohn abziehen.

Artikel 11

Brauen, Gewand schneiden, Schenken, Mälzen. Welcher Bürger Brauen, Gewand schneiden, Schenken und Mälzen will, der soll stehen in seinem Geschoß mit zwölf Mark nach der Stadt Gesetzte und soll sein erstes mal ausgießen acht Tage vor Unser Lieben Frauen (7. August) und zum letzten mal an St. Walpurgis Abend (1. Mai). Wer dagegen verstößt, der ist der Stadt ein Pfund bußfällig. (Unser Lieben Frauentag bezieht sich ohne Beisatz stets auf den 15. August, die Himmelfahrt Mariä.)

Artikel 12 Weißenseer Reinheitsgebot

Zu dreimal Brauen. Es soll auch niemand mehr brauen als dreimal in einem Jahr oder nach dem, wie die Räte und die Gemeinde eines jeglichen Jahres sich einig werden. Zu dem Bier brauen soll man nicht mehr nehmen als soviel Malz, als man zu den drei Gebräuen von dreizehn Maltern an ein Viertel Gerstenmalz braucht. Die Gebräue soll man tun zu welcher Zeit in dem Jahr man will oder man erkennt, daß es am bequemlichsten sei. Es soll auch nicht in das Bier weder Harz noch keinerlei andere Ungefercke. Dazu soll man nichts anderes geben als Hopfen, Malz und Wasser. Das verbietet man bei zwei Mark und derjenige muß die Stadt für vier Wochen räumen. (bequemlich - zweckmäßig, Ungefercke - gefährliche Stoffe) In diesem Artikel ist erstmals die Zusammensetzung des deutschen Bieres mit den Bestandteilen Hopfen, Malz und Wasser genannt. Ob die Weißenseer Stadträte die derben Zustände in ihren Tabernen der schlechten Qualität des Bieres zuschrieben und deshalb als Erste ein solches Reinheitsgebot entwickelten, muß offen bleiben. ("dreizehn Maltern an ein Viertel Gerstenmalz" regelt die Stammwürze, hier von 11,8 - 12,8.) - Freundliche Mitteilung von Prof. Annemüller, Berlin)

Atatuta thaberna - Artikel 12Weißenseer Reinheitsgebot
von 1434 Artikel 12

Artikel 13

Wenn zwei ihr Gebräu miteinander vermischen. Auch wenn zwei Bürger ihr Gebräu miteinander vermischen in einem Hause, und wenn ein jeglicher Bürger das seine heim fährt in sein Lager und zu Hause ausschenkt, verbietet man das bei zwei Mark und derjenige muß die Stadt für vier Wochen räumen.

Artikel 14

Zwei auf einem Hof Ansässige. Wenn auch zwei Bürger miteinander in einem Hof sitzen, sollen die nicht mehr brauen denn dreimal im Jahr oder nachdem man sich jeglichen Jahres einig wurde, in welchem Abstand man brauen soll. Das verbietet man bei zwei Mark und einem Jahr die Stadt zu räumen.

Artikel 15

Niemandes fremde Weine. Es soll auch niemand fremde Weine noch fremde Biere einführen noch lagern noch die schenken, die hier zu dieser Stadt nicht zugewachsen sind. Das verbietet man bei vier Mark und bei einem Jahr die Stadt zu räumen.

Artikel 16

Auch so mag ein jeglicher Bürger schenken und ziehen ein halb Faß Biers oder ein acht eimriges Faß und nicht mehr, zu den Jahrmärkten und zu dem Ablaß, solange die Freiheit währt und nicht länger.

Artikel 17

Es soll auch kein Bürger fremdes Malz brauen. Das verbietet man bei einem Pfund.

Artikel 18

Es soll kein Bürger schoßbares Gut verkaufen, weder Pfaffen noch Juden noch guten Händlern noch auswärtigen Leuten, noch sollen keine ewigen Zinsen weder verkauft noch angeordnet noch vergeben werden, an Erben noch an Abhängige, das verbietet man bei vier Mark und bei einem Jahr zu räumen.

Artikel 19

Es soll auch kein Bürger Gesellschaft haben mit Kaufmannschaft, mit niemandem, damit unsern Herrn und der Stadt nichts von geschieht. Das verbietet man bei einem Pfund. ("keine Gesellschaft haben" heißt, keine Gesellschaft eingehen.)

Artikel 20

Wer da auch strafte seine Sühneleute, auf die er gegangen hätte, der wird der Stadt bußfällig zwei lotige Mark und sollte dazu ein Jahr räumen. (Sühne - Zwischen dem Täter und dem Verletzten abgeschlossener Vertrag, wonach statt der verwirkten Strafe eine Buße entrichtet wurde. Ein Täter mußte in Weißensee Urfehde schwören, d. h. Verzicht auf Rache. Verstieß er dagegen, war die Strafe hart. Sühneleute, oftmals vier Personen, wurden berufen. Hierbei handelt es sich um ein ehrenamtlich tätiges Richterkollegium.)

Artikel 21

Auch soll man unser Hausgeschoß nach der Stadt zinsen, nicht mehr vor Räten, als hier auf diesem Rathaus. (Die Steuern sollten nicht mehr an einzelne Stadträte ausgezahlt werden.)

Artikel 22

Welcher Bürger der Stadt Zöllner ist, der soll den Zoll des Jahres getreulich einfordern und einnehmen und ihn auf dem Rathaus auf Eid übergeben, davon soll man ihm lassen folgen ein Pfund Pfennige um seiner Mühe und Arbeit willen. (Noch heute zieht der Zoll die Biersteuer ein, nicht das Finanzamt.)

Artikel 23

Es soll auch niemand Barten, Langmesser, noch keinerlei andere Mordwehre tragen auf Straßen und in Tabernen. (Barten - Beile. In Nürnberg durfte kein Bürger eine Waffe bei sich tragen und auch nicht in Wirtshäusern und Bordellen damit angetroffen werden.)

Artikel 24

Nach der Bierglocke soll niemand ohne Geleuchte, noch mit Wischen gehen. Das verbietet man dem Bürger bei einem Schilling und dem Gast bei drei Schillingen. (Mit wyschen ist der Strohwisch - Strohfackel gemeint. Betrunkene konnten mit Strohfackeln in den Händen für eine Stadt zur Lebensbedrohung werden. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts läutete die Bierglocke im Sommer nach "zehen undt den Dienst knechten nach Sieben uhren: Im herbst und im Winter aber den Bürgern nach acht undt den Knechten nach fünf uhren (...) undt darbey gahr kein Spielen, wie das auch nahmen haben mag Zugelaßen werden. Undt damit ob diesem Punkte desto vleißiger gehalten werden müge. Sollen die Wechter wan Sie an die Wache gehen, Undt das glöcklein geleutet worden, den Zechgesten feuerabendt zumachen ankündigen, undt wan solches geschiehet, der Wirth den Keller zuschließen, undt als dan keinem etwas mehr langen. Wer aber darüber van Ihme heimzugehen angezeigt wirdt, sich vorsetzlichen verwegert undt trotziglich im Bierhause sitzen bleibt", wurde bestraft).

Artikel 25

Es soll auch niemand Asche, Mist noch keinerlei anderen Unflat schütten noch tragen vor sein Tor, er wolle es dann von Stund an wegfahren oder fahren lassen. Das verbietet man bei einem Schilling.

Artikel 26

Es soll auch niemand am Sonntage noch an den zwölf Boten Tagen (zwölf Apostel Tage), noch an anderen Festen und heiligen Tagen weder brauen noch dörren, noch eine andere unzeitliche Arbeit tun. Das verbietet man bei fünf Schillingen.

Artikel 27

Es soll auch niemand ohne Zeichen Bier nach Wein verkaufen, noch heimlich verwechseln. Das verbietet man bei einem Pfund. (Mit Zeichen ist der Bierwisch, der Vorgänger unserer Gaststättenausleger, gemeint).

Artikel 28

Auch soll ein jeglicher Bürger ein voll Maaß Bier geben oder was er rufen läßt und nicht teuren, es sei zu Jahrmärkten oder zu Ablaß. Das verbietet man bei einem Pfund. (Jeglicher Bürger darf den Bierpreis nur zu den Jahrmärkten oder am Ablaßtag, meist Gründonnerstag, erhöhen)

Artikel 29

Auch soll kein Bürger die Pfanne bedürfen noch ohne Erlaubnis nehmen, er habe denn die Pfanne vor unserm Herrn gewonnen, und sich lassen schreiben und Geld gegeben. Das verbietet man bei einer lotigen Mark Silber. (Pfanne - Bierpfanne, Mark = 235 g Silber. "Lotig oder lötig" bestimmt eine Menge Silber, 16 Teile Silber auf 20 Teile enthaltend.)

Artikel 30

Um das Geschoß. Auch sind die drei Räte und die ganze Gemeinde einig geworden, das Geschoß zu setzen und zu geben, daß ein jeglicher Bürger sein Walpurgisgeschoß (30. April) soll richten und geben, halb auf St. Johannestag (24. Juni) und halb auf St. Jakobstag (25. Juli). Das Michaelisgeschoß (29. September) halb auf St. Martinstag (11. November) und halb auf St. Andreastag (30. November) oder auf jegliche Zeit, darauf man jeglichen Jahres es setzt, und welcher Bürger in dieser Zeit sein Geschoß nicht richtet noch bezahlt, von dem soll man zu jeder Zeit die Buße nehmen. Nämlich wer da hat zwölf Mark und darüber, der soll geben zu jeglicher Zeit fünf Schillinge zu Buße, und wer da hat zehn Mark und darunter, der soll zu jeglicher Zeit dreieinhalb Schillinge büßen. Niemand soll deshalb um Leben und Leib verschont sein. Alle Schosser, die man zu jeglicher Zeit dazu ruft, sollen von dem Geschoß nichts haben, es sei denn, sie haben es ganz und gar eingefordert und gesammelt, so sie es unsers Herrn Zettel ausweist. (Geschoß - Steuer, Schosser - Steuereinnehmer, Zettel - Verordnung, Festlegung des Steuersatzes.)